Mittwoch, 19. Januar 2011

Shakti und mein Halschakra

Auf der Suche nach Internet landete ich auf einer staubigen Nebenstrasse direkt in der Halle eines Luxushotels, wo zwei Amerikaner an der Rezeption gerade fragten, ob es hier Cappuccino, Caffe Latte, Espresso, Cortado o.a. zu kaufen gibt. Die Antwort habe ich nicht abgewartet, das indische Schweigen war vielsagend genug...

Wieder mal ist die Angst vor der Wirklichkeit schlimmer gewesen als die Wirklichkeit selbst. Nachdem ich am Morgen herauszufinden versucht habe, wie ich am Samstag nach Tiruchirapalli komme und am Busbahnhof Hilfe von einem unglaublich duennen Sadhu in der typisch orangefarbenen Kleidung bekommen habe (der ausnahmsweise fuer seine Hilfe nicht bezahlt werden wollte) und mit einer traurig aussehenden Deutschen ein melancholisches Gespraech gefuehrt habe, packte ich meine Sachen und nahm eine Riksha zum Ashram.

Das Zimmer hier ist der reine Luxus! Ich habe einen eigenen Eingang, Mueckennetz an allen Fenstern und Tueren, Doppelbett, eigenes Bad, einen eigenen Balkon. Tisch, Stuhl, sogar einen kleinen Schrank. Das Zimmer liegt auf einem eigenen Grundstueck gegenueber vom Ashram, und vom Fenster aus sehe ich die Bibliothek. Ich fuehlte ploetzlich die Anspannung der letzten Tage von mir abfallen, etwas wie Lebenslust regte sich in mir.


Als Erstes machte ich mich auf den Weg, um mir eine Bluse mit langen Aermeln zu kaufen, weil im Ashram naemlich schulterfrei nicht erlaubt ist und ich keine sauberen Kleider mit Aermeln mehr hatte. Ich fand einen Laden, der mich sofort beim Eintreten ganz merkwuerdig (positiv!) beruehrte. Blieb zwei Stunden drinnen, hauptsaechlich zum Reden. Der Ladenbesitzer war aus Ladakh, ganz jung (21), hatte den Laden vor kurzem von seinem Grossvater uebernommen, der Tibeter ist und einen Teil des Schmuckes selber macht, der im Laden verkauft wird (ganz viel mit Chakras und tibetischen Symbolen). Es zeigte sich, dass der junge Mann sich intensiv mit verschiedenen Healing-Methoden beschaeftigt, sogar (zusammen mit seinem Grossvater) ein Buch darueber schreibt, und er bat mir fuer morgen ein Healing an (irgendwas mit Kristallen, einem tibetischen Stab usw.) und gab mir an Ort und Stelle eine Chakrabehandlung mit Klangschalen (allerdings nicht zu vergleichen mit der voellig umwerfenden Behandlung, die ich in Mamallapuram bekommen habe). Ich kaufte mir ein Medaillon zum Schutz meines Halschakras, und wir redeten ganz lange ueber Meditation, Chakras, Mandalas, er erklaerte mir die Anwendung von Healing Sticks usw. Schoen.

Ging dann zum Essen in den Ashram. Man setzt sich in einer Riesenhalle auf den Boden, vor eines der ausgelegten Bananenblaetter mit Metallbecher (den ich gleich umstiess, woraufhin ich waehrend des ganzen Essens mit einer sich ausbreitenden Wasserpfuetze kaempfen musste). Neben mir sass eine junge Amerikanerin, von der ich mir erklaeren liess, was ich zu tun hatte. Eigentlich nichts. Das Essen kam in Eimern und wurde auf das Bananenblatt geloeffelt, so dass es in alle Richtungen spritzte. Am Ende, als eine Art Suppe kam, hatte ich fast keinen Reis mehr und war dann damit beschaeftigt, die Fluessigkeit daran zu hindern, vom Bananenblatt herunterzurinnen. Fluessigkeit mit der Hand zu essen ist zugegebenermassen ziemlich schwierig. Die junge Frau laechelte nachsichtig. Gegenueber sass ein nett aussehender Japaner, der seinen Nachbarn fragte, wie lange er hierbleiben wuerde. Solange Bhagavan (das ist der 1950 verstorbene Guru) mich hier haben will, nehme ich an, antwortete der. Nun ja. Ich habe jedenfalls nur DREI Tage (in Grossbuchstaben) Aufenthaltsrecht hier, und ich glaube, das ist die Regel. Leute, die schon oefter hier waren, koennen sicher laenger bleiben. Die junge Amerikanerin sagte, dass ihr Vater seit fuenfundzwanzig Jahren jedes Jahr hierher kommt. Und jetzt kommt auch sie. Wie lang bleibst du, fragte ich. Eine Woche, ein paar Wochen, sagte sie, und: es ist schwer sich loszureissen.

Vor dem Speisesaal traf ich Shakti wieder, unseren schoenen Bergfuehrer von gestern. Ich hatte mir schon vorher vorgenommen, ihm die dreihundert Rupies zu geben, um die wir gestern beinahe endlos verhandelt haben. Es ist naemlich so, dass die Guides hier horrende Summen verlangen und offensichtlich von den Touristen auch bekommen, dabei ist jedenfalls der Rundweg so gut markiert, dass selbst ein Blinder Schwierigkeiten haette, sich nicht zu verlaufen. Er freute sich jedenfalls, und ich fuehlte mich erleichtert, da diese Sache mir seit gestern ein wenig Kummer bereitet hat.

Fuer heute Abend habe ich eine erneute Umrundung (diesmal komplett) des Bergs geplant. Das ist hier Tradition in jeder Vollmondnacht. Weshalb auch beinahe alle Hotels in der Stadt ausgebucht sind.

Lasse spaeter von mir hoeren. Es ist heiss, die Tapete an der Wand glitztert metallic rot. Vor unserem Hotelfenster war gestern eine Affenhorde, die ich durchs Gitter mit Keksen fuetterte. Vor allem einer kam immer wieder zurueck, ganz broeslig ums Maul.

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