Samstag, 29. Januar 2011

"The sound of India...

...is the sound of sweeping.", sagte Michael bei einem unserer 5:30 - Tees im Dorf, als wir auf unserem Mauervorsprung sassen und dem schwisch-schwisch der Reisigbesen zuhoerten, und ich nahm mir vor, das zum Betreff meines naechsten Postings zu machen. Das Geraeusch des Fegens ist das subtilste Geraeusch, zu dem man am Morgen aufwachen kann. Es wird nur leider meistens von lauter Musik und Verkehrslaerm ueberdeckt.

Heute morgen trafen wir beim Tee Pannir, einen indischen Freund Michaels, ein junger Bauer, der sich ehrenamtlich fuer die Ausbildung von jungen Maennern im Dorf einsetzt. Grade hat er sieben von ihnen geholfen, einen Platz in einem Programm fuer Staatsangestellte zu bekommen und hat ausserdem in Thanirpalli eine Bibliothek eingerichtet. Ausserdem trainiert er einen tamilischen Kampfsport, irgendwas mit Stoecken. Michael und er wollen heute abend nach Trichy zu einer Agricultural Show fahren.

Habe mich im Ashram verabschiedet. Kumpelhaendedruck von Brother George, bei dem man einander um den Daumen fasst. Soul Brother. David und Michael winken zum Abschied. David, auch er ein Englaender, war der Mann fuer den 17:00 - Tee im Dorf, der Mann fuer die kleinen Gespraeche ueber Schnuersenkel, ueber indische Geschichte und das Buch mit dem Titel "The Inner Eye of Love", mit dem er immer herumsass ("It's a marvellous book, everybody should read it"), ueber Krishnamurti, in dessen Buch "Total Freedom" ich gewoehnlich las, ueber Schokolade und Elizabeth Taylor. Gestern erzaehlte er, dass er den Beschluss gefasst hat, seine Wohnung in London zu verkaufen und sich statt dessen ein Haeuschen auf dem Land zu kaufen. "I might as well travel till I drop", sagt er, und schenkt mir ein glattrasiertes Laecheln zum Abschied, da er sich gestern in Kulithalai seinen Vollbart hat abrasieren lassen. "I feel sorry that you leave", sagt er, und Michael erkundigt sich nach dem "Head Stuff" und sagt, meine neue Brille, die ich in Trichy aholen wolle, wuerde mir vielleicht eine ganz frische Perspektive auf meine bevorstehenden Entscheidungen geben. Vertrau auf die unterirdischen Prozesse sagt er, die waehrend deiner Reise in dir stattgefunden haben, dann lacht er und sagt, es ist ja so leicht, anderen Leuten weise Sentenzen mit auf den Weg zu geben.

Der Rikschafahrer Jeeva hilft mir, im Bus einen Platz zu bekommen, indem er eine meiner Umhaengetaschen durch das Fenster auf einen Sitz wirft. Ich sitze ganz vorne, die Strasse ist holprig, Ziegen, Kuehe, Motorraeder, Fahrraeder. Ein umgekippter Bus liegt am Strassenrand. Gestern habe ich erfahren, dass eine der zwei kleinen Katzen mit den grossen Ohren, die ich auf meinem Weg ins Dorf immer vor einem Haus sitzen sah, ueberfahren worden ist.

Die Kombination von Hitze und Erkaeltung ist nicht gerade optimal. Habe einen hartnaeckigen Husten und bin ausserdem grade dabei, meine Stimme zu verlieren. Esse viermal am Tag ayurvedische Hustenmedizin, die jedenfalls den Husten ein wenig lindert. Die heisse Luft Chennais, sagt Michael, wird dir vielleicht gut tun. Heiss? Ist es hier nicht heiss genug? Gestern abend wartete ich vergeblich auf Abkuehlung, lief nach dem Abendessen ueber das Gelaende des Ashrams und die Strasse davor auf und ab wie ein wildes Tier in seinem Kaefig. Ja schon, aber anders heiss.

Die Brillenabholung war uebrigens dabei, eine typische Indiengeschichte zu werden. Hatte mich schon gewappnet, dass bestimmt wieder irgendwas schiefgegangen war, als sie bei JEHS OPTICALS im St. Joseph's Eye Hospital dann aber anfingen, zu zweit panisch im Brillenkasten zu wuehlen und ein Telefongespraech nach dem anderen zu fuehren, fuehlte ich mich doch etwas enttaeuscht. "Ten minutes", sagte der Optiker zu mir, und eine der Angestellen lachte, und ich dachte, jaja, haha, zehn Minuten, haha, eine Stunde, sorry madam, tomorrow... Doch nach zehn Minuten kam tatsaechlich jemand mit meiner fertigen Brille in der Hand herein, ich setzte sie auf, sieh da, alles stimmte, und der Optiker winkte mir stolz zu, als ich mit Brille und Gepaeck den Laden wieder verliess.

Ich wuerde gern so viel mehr schreiben, aber jedesmal, wenn ich in einem Internet Point sitze, bin ich froh, wenn ich bald wieder raus kann. Dass hier auf einem Miniatur-Altar gerade Rauecherstaebchen abgebrannt werden und die heisse Luft im Raum steht, da keiner der Ventilatoren eingeschaltet ist, ist nicht gerade von Vorteil fuer meine Atemwege, und ich sehne mich nach einem schattigen, etwas luftigen Ort, die Frage ist nur, ob es so was in der Naehe gibt.

In zwei Stunden geht mein Zug nach Chennai. Die Zugfahrt dauert sieben Stunden. Dort treffe ich P, mit der ich dann morgen nacht zurueck nach Kopenhagen fliege.

Mal sehen, ob ich noch mal die Moeglichkeit habe, zu bloggen. Euch ein schoenes Wochenende, alles, alles Liebe!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen