Montag, 24. Januar 2011

Zugfahrt und Augenklinik

In der Frueh hatte ich die Meditationshalle fuer mich allein. Die Amerikaner machten einen Ausflug zu einem anderen Ashram, um dort zu chanten.
Um acht Uhr wollte ich den Zug nach Tiruchirapally nehmen, um mir im St.John's Eye Hospital meine Augen untersuchen zu lassen.

Michael begleitete mich zum Bahnhof, schob sein Fahrrad neben mir her.

Did you get a new bed, fragte er mich gestern.
Yes, a really big one.
So maybe now you can have two heads instead?

Das head-thing ist zu einem running joke zwischen uns geworden.

Es ist gerade hell geworden, als wir losgehen. Die Strassen sind rein gefegt. Maenner stehen im Fluss und waschen sich.

Seit er siebzehn ist, kommt Michael nach Indien (er ist jetzt 64, die Inder nennen ihn "Tata", Grossvater, though I'm still a child at heart, sagt er), und seit 21 Jahren in den Ashram. Er bleibt immer mehere Monate hier, weiss deshalb eine Menge.

Z.B.: Zwischen dem 15. Dezember und 15. Januar ist der sogenannte "dunkle" Monat (die Sonne ist am weitesten entfernt, es ist am kaeltesten). Um die boesen Geister wegzuhalten, muss deshalb in den Doerfern bei Sonnenaufgang unbegreiflich laute Musik ueber riesige Lautsprecher gespielt werden, und die Menschen stellen Lampen neben ihre Hauseingaenge. Die Sonne geht jedoch das ganze Jahr ueber zur gleichen Zeit auf und unter.

An einem peinlich sauberen und frisch geschmueckten Tea Stall machen wir Pause, trinken Tee. Der kleine Baum vor uns ist heilig, mit Farbflecken verziert, und eine Butterlampe brennt an seinem Fuss.

Ich sage zu ihm, mir gefallen die einfachen weissen Alltags-Kolams (die Zeichnungen, die die Frauen jeden Morgen vor der Tuerschwelle machen) eigentlich besser als die protzigen bunten Feiertagskolams. Er stimmt mir zu, ja, ja, sie sind tatsaechlich schoener!

Das ist Indien, sagt Michael, und meint das Dorfleben an einem Morgen wie diesen. Den Taj Mahal muss man nicht unbedingt sehen, nunja.

Einige Zahlen:
65% der Inder leben auf dem Land, was einen umwirft, wenn man die Moloche von Staedten gesehen hat.
70% der Inder sind unter vierzig. In England ist das Verhaeltnis umgekehrt, sagt er.
105 Buchstaben hat Tamil, sagt Michael, wenn man alle Variationen mit dazu rechnet.

Enjoy the journey. Hope your head will take a break, sagt er, bevor er sich auf sein Fahrrad schwingt und zurueck zum Ashram faehrt.

Der Zug ist brechend voll von indischen College-Schuelern auf der Weg zur Schule. Einige machen ihre Hausaufgaben, andere lesen, versuchen noch Restwissen in sich hineinzustopfen, aber die meisten konkurrieren mit ihren auf Hoechtslautstaerke eingestellten Musikhandys (die Gespraechslautstaerke ist ebenfalls beachtlich).

Die Jungs mit akkuratem Messerschnitt, viel zu engen Stoffhosen und kurzen angeschlitzten Hemden, die ueber den Hosenbund haengen. Die Maedchen ausnahmslos langhaarig, mit traditionellen indischen Kleidern, einige mit Blumenschmuck im Haar.

Junge Maenner sitzen eng umschlungen da, liebkosen einander die Haende, setzen sich einander auf den Schoss, den Kopf an die Schulter des anderen gelehnt.

Am Bahnhof fruehstuecke ich in einem kleinen Restaurant, dann nehme ich eine Riksha zum St. Joseph's Eye Hospital, das vom TUEV SUED irgendeine ISO-Auszeichnung fuer Management und so weiter bekommen hat. Und ich fuehle mich auch wie in einer gut geoelten Maschinerie, wie ich von Untersuchungszimmer zu Untersuchungszimmer gefuehrt werde, mindestens vier verschiedene Aerzte treffe, Augentropfen verpasst bekomme, die mich alles verschwommen sehen lassen.

Jeder Arzt blickt mir tief in die Augen und fragt: What's your problem?
No problem, no problem, sage ich (luege ich), in meinem inzwischen fliessenden Indisch-Englisch, da ich weiss, dass sie an der Antwort eigentlich nicht interessiert sind.

Ende der Untersuchung: Ich brauche eine halbe Dioptrin weniger, und "according to age", ein bisschen mehr Lesestaerke. Taumle in die Mittagshitze, fluechte in ein dunkles Restaurant und dann in diesen Internetpoint.

Ciao, Ihr Lieben, jetzt gehts zurueck in den Ashram, aber mit dem Bus!

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